Vita
Matthias Schweinzer, 28 Jahre alt, kommt aus Graz. Matthias hat als 7 jähriger mit dem Schwimmen begonnen und sich ab 2009 (nach 12 Jahren Beckenschwimmen) auf das Freiwasserschwimmen konzentriert.
Matthias erreichte bei insgesamt 5 Europameisterschaften über 5 km einen Platz in den Top 20. Außerdem war Matthias der erste Österreicher, der sich für eine Freiwasser-WM qualifizieren konnte. Zusätzlich erreichte er einen Sieg und mehrere Podestplätze im Europacup und eroberte 16 Staatsmeistertitel.
Durch die jahrelange Spezialisierung hat er sich viel Knowhow aneignen können und möchte dieses nun an Sportbegeisterte weitergeben.
Zur Vorbereitung auf die Freiwassersaison hat Matthias Schweinzer folgende kurze Tipps für das Freiwasserschwimmen verraten.
Die Tipps sind mit Übungen nach diversen Schwierigkeitsgraden ergänzt und teilweise mit Video illustriert.
Freiwasser Tipp Nr. 1
Lerne geradeaus zu schwimmen!
Dieser Tipp hört sich erst einmal eigenartig an und jeder wird von sich selbst behaupten, dass das sowieso gemacht wird. Aber ich habe in meiner Karriere viele Schwimmer/innen gesehen, die das im Freiwasser einfach nicht konnten. Das sah als Zuschauer recht lustig aus, ist aber für den Aktiven eine große Mehrbelastung. Denn der wohl größte Unterschied zum Becken ist die erschwerte Orientierung!
Im Becken hat man den geliebten schwarzen Strich unter sich und ob man es glaubt oder nicht, der Körper richtet sich bewusst und unbewusst nach dieser Linie. Oft bildet sich eine Dysbalance durch eine stärkere Körperhälfte, oder Schulterschmerzen etc. Das äußert sich dann durch einen Zug in eine Richtung. Man meint gerade zu schwimmen, aber es zieht einen immer nach rechts. Und so wird aus einem Vierecks-Kurs ein verkrampfter Kreis. ;-)
Um hier ein Beispiel zu nennen: Bei Anfänger/innen (aber sogar bei Profis) kann es beim Freiwasserschwimmen zu großen Umwegen selbst bei kurzen Distanzen kommen. So ist es durchaus möglich, dass man mehr als 10% an Umweg nimmt. 10 Meter auf einer Geraden von 100 Metern klingen nach sehr viel, aber dieser Wert ist durch Schwimmmanöver in Zickzack-Bewegungen oder mit einem starken Drall schnell erreicht! Und dann muss man folgendes bedenken: Selbst nur 5% an Umweg entsprechen bei der Ironmandistanz von 3.800 Metern einer Mehrbelastung von 190 Metern. Das entspricht einer Zeiteinsparung von 2+ Minuten, ohne dass du auch nur einen Kilometer mehr an Umfang im Training zurücklegen musstest, wenn du geradeaus schwimmen kannst!
Die Orientierung und das Sichten nach vorne werden in einem eigenen Tipp vorgestellt. Heute werden die absoluten Grundlagen vermittelt.
Mit zwei sehr einfachen Übungen zu Tipp ! kannst du dich bereits sehr gut auf die bevorstehenden Rennen im Freiwasser vorbereiten. In meinem nächsten Tipp geht es dann um das Orientieren nach vorne. Denn dann steht einer Ideallinie nichts mehr im Wege! ;-)
Wie lernt man das ?
Das Geradeaus schwimmen muss unbedingt mehrere Male in der Vorwettkampfsaison geübt werden. Ich würde vorschlagen, dass man diese wichtige Fähigkeit einmal ordentlich erlernt, aber auch während der Saison immer ein Auge darauf wirft. Bei mir hat sich der Drall des Öfteren gewandelt, oft schon nach zwei Krafteinheiten. Hier muss man sehr flexibel sein und sich auf die Linie fokussieren. Ich schreibe euch hier zwei Tipps, mit denen ihr das Gefühl für das Geradeaus schwimmen stärken könnt und vielleicht auch ein wenig Spaß daran habt:
Anfänger: Fokussiere dich auf ein Ziel in rund 50 Meter Entfernung (z.B. Boje oder Richtung eines Baumes) und schwimme ohne nach vorne zu schauen 10 Meter/5 Schwimmzyklen und bleibe stehen und kontrolliere die Richtung in die du siehst. Hat sie sich stark verändert?
Fortgeschrittener: Entfernung zum Ziel: 50 Meter. Schwimmdistanz: 25 Meter/10 Schwimmzyklen.
Meister: Entfernung zur Boje 50 Meter. Probiere die Boje ohne nach vorne zu schauen zu berühren.
Open Water Zen Meister: Verbinde deine Augen und schwimme von Ufer zu Ufer und steige am anvisierten Zielpunkt aus dem Wasser. ;-)
Diese Übung kannst du auch sehr gut in dein Einschwimmen vor dem Wettkampf integrieren. Schwimme ein paar Meter und kontrolliere deine Richtung. Falls du einen starken Drall entdeckst, reagiere und setze z.B. deine Arme leicht versetzt ins Wasser. Probiere es nochmal und vergewissere dich, dass die Linie jetzt besser ist.
Anfänger: Schließe deine Augen oder verbinde sie und schwimme ein paar Meter auf der Bahn. Du wirst sehen, dass du sehr schnell eine Leine berühren wirst ;-)
Fortgeschrittener: Probiere das auf einer 50 Meter Bahn und mache das bis du es ohne Leinenberührung schaffst
Meister: Schwimme 50 Meter in Freiwasser-Wettkampfgeschwindigkeit
Open Water Zen Meister: Mache den Test mit mehreren anderen gleichzeitig oder mit fünf nicht eingeweihten Schwimmern.
Anmerkung: Das kannst du natürlich probeweise mit allen Schwimmlagen probieren. Das lustigste Erlebnis war, als ein Brustschwimmerkollege 2 Bahnen weiter links angeschlagen hatte, obwohl Leinen gespannt waren.
Freiwasser Tipp Nr. 2
Orientierung/Sichten nach vorne
Die richtige Orientierung ist das A und O im Freiwasser! Wie funktioniert das Sichten nach vorne? Jeder Aktive, der den Sprung vom Becken ins Freiwasser gewagt hat, kennt das Problem. Der Strich am Boden und die Leinen am Rand sind verschwunden, die nächste Boje ist 300 Meter entfernt und man braucht viel länger für die gleiche Distanz als im Becken. Diese Zeitdiskrepanz kann mehrere Ursachen (u.a. die fehlenden Wenden etc.) haben. Allerdings ist die Hauptursache oftmals die fehlende oder falsche Orientierung. Dieses Problem gibt es allerdings nicht nur bei Anfängern, sondern ist sogar bei Freiwasser-Weltmeisterschaften zu beobachten.
Was benötigt eine perfekte Orientierung im Freiwasser? Man muss erstens möglichst geradeaus und mit wenig Drall schwimmen können. Wenn du den ersten Freiwasser Tipp bereits geübt hast, darf ich dir gratulieren. Du musst jetzt sicherlich 30% weniger Sichten. Zweitens musst du wissen wohin die Reise geht und hierfür ist es notwendig nach vorne zu sehen. Dies ist leider nicht so einfach wie beim Laufen oder Radfahren und benötigt einiges an Übung. Das ist das Thema in diesem Tipp. Drittens musst du den Rennkurs mit allen Strömungen, sowie Winkeln um die Bojen perfekt inspiziert haben. Dies wird im eigenen Freiwassertipp genauer erklärt werden.
Das Sichten muss sehr oft geübt werden bis es einigermaßen sitzt. Das sollte bereits in der Vorwettkampfsaison passieren und öfters in normale Schwimm-Serien eingebaut werden. Hierfür würde ich empfehlen mehrere Videos anzusehen und bei den vorzeigenden Schwimmer/innenn vor allem auf die ersten beiden Schwimmkriterien zu achten. Verändert sich der Rhythmus, wenn der Kopf nach vorne gedreht wird? Sinkt die Hüfte und vergrößert den Wasserwiderstand enorm?
Versuchen wir uns der Technik Stück für Stück anzunähern.
Diese Übung findest du als Video auf Youtube unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=faaT55D1pB4
Wiederhole Übung 1, nur dass du diesmal den Kopf soweit hebst, dass deine Schwimmbrille knapp über der Wasseroberfläche ist. Somit ist das eine Sichtung ohne Atmung
Freiwasser Tipp Nr. 3
Orientierung Teil 2: Orientierung in unruhigen Gewässern/Situationen
Wieso es noch einen 2. Teil zur Orientierung gibt? Weil es eines der zentralsten Themen im Freiwasser ist. Selbst der schnellste Schwimmer gewinnt keine Freiwasserrennen, wenn er nicht auch eine gute Schwimmlinie verfolgt. Im Freiwasser lohnt sich es somit mit Köpfchen zu schwimmen.
Reminder:
· In Teil 1 ging es um die 3 Hauptkriterien des Orientierens/Sichtens
1. Gleichbleibender Rhythmus |
2. Wasserwiderstand |
3. Erkenntnisgewinnung |
Nur wenn alle 3 Kriterien im Einklang sind wird effizient und energiesparend geschwommen!
Um die 3 Hauptkriterien zu erlernen und koppeln, gilt das Motto: Übung macht den Meister!
·
Nun wird diese Fähigkeit auf schwierigere Bedingungen (Wellengang/ dichtes Feld) ausgeweitet.
Übung 3.1:
„richtiges Orientieren“ oder „die Ente“
Ausführung - Gesamtlage Kraul - Kopf nach vorne aus dem Wasser heben, sodass
das ganze Gesicht über dem Wasser ist
Coaching Points: - Brustbein versuchen nach vorne zu schieben,
um den Nacken zu schonen - Beinschlag verstärken und Bauch anspannen,
um die Wasserlage zu halten
- Möglichst nicht Atmen, denn die
Verschluckungsgefahr ist hoch und es zieht
Orientierung unnötig in die Länge!
- Atmen durch seitliches Eintauchen des Kopfes
nach Orientierung möglich
Übung 3.2:
Wasserballkraul (sehr hoher Wellengang oder Chaos bei Start/Boje/Ziel)
Ausführung:
- Gesamtlage Kraul
- Kopf und Brust aus dem Wasser heben
Coaching Points:
- Beinschlag verstärken und Bauch anspannen
- Armfrequenz erhöhen (Kräfteraubend aber
notwendig, um sich aus dem Wasser zu heben)
- Im Rennen nur bei sehr hohem Wellengang
verwenden, weil sehr kräfteraubend! Allerdings
auch sehr gutes Krafttraining
Freiwasser Tipp Nr. 4
Orientierung Teil 3: Die Orientierung beginnt bereits an Land!
Auch der 4te Freiwasser Tipp beschäftigt sich mit der Orientierung. Hier gibt es eben den größten Unterschied zwischen dem Schwimmen im Becken und im Freiwasser. Selbst der schnellste Schwimmer gewinnt keine Freiwasserrennen, wenn er nicht auch eine gute Schwimmlinie verfolgt. Im Freiwasser lohnt sich es somit mit Köpfchen zu schwimmen.
Tipp Nr. 4.1: Analysiere die Wettkampfstrecke
Jetzt ist die Rennsaison bereits gestartet und man muss sein Wissen in den Wettkampfplan integrieren.
Die in diesem Beitrag vorgestellten Tipps klingen auf den ersten Blick banal, jedoch habe ich häufig Amateure, aber auch Profis gesehen, die folgende Basics nicht angewandt haben.
Wie geht man hier vor?
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Tipp Nr.4.2: Suche dir markante Orientierungspunkte
Oftmals sind sehr viele Bojen, Boote und Schwimmer/innen unterwegs und es ist nicht leicht eine 1,5m hohe Boje auf 300m Entfernung zu sichten. Deshalb ist es wichtig bereits im Vorhinein markante Anhaltspunkte zu suchen
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